Zeltgespenst

…ist unterwegs!

Eine Reise mit Nebenwirkungen

Es ist neutral warm, bequem und seit Stunden schaue ich in den PC. In direkter Umgebung häufen sich Briefe und andere Unterlagen, entfernt hört man Musik,  ein Stück guter Schokolade und eine Tasse Tee sind in Reichweite. Home, sweet home.

Ganze drei Wochen ist es inzwischen her, seit ich in Düsseldorf landete.  Hörte plötzlich überall Deutsch, sah saftiges Grün der jungen Blätter und genoss die unglaubliche Sauberkeit der Straßen – wie ein Freund, der selbst lange verreist war, es ausdruckte, „man kann vom Boden essen“. Allerdings fielen auch unglückliche, unzufriedene Gesichter vieler Menschen auf. Warum, was fehlt uns in diesem schönen und reichen Land?

Manchmal werde ich gefragt, ob ich mich schon gut eingelebt hätte. Die Antwort ist für mich selbst erstaunlich: Das brauchte ich gar nicht. Als ob hätte ich die gewohnte Umgebung nie verlassen, als ob wäre die ganze Reise nur ein Traum gewesen, stieg ich in das vertraute Leben schnell wieder ein. Also ist alles so wie es war?

„Hast du XY-Pflegemittel?“ – eine Sportkollegin fragte mich in der Umkleide nach etwas ganz banalem. Ich überlegte. Zuerst, was sie überhaupt meint und dann, ob es einen Grund gäbe, es dabei zu haben und zu nutzen. Nein ich hatte es nicht… Vier Monate lang bestand mein Kulturbeutel aus Zahnbürste und -paste, Shampoo, Seife, Sonnen- und manchmal etwas normaler Creme. Und nichts hat darunter gelitten, nicht die halbe Drogerie auf dem Nachttisch zu haben…

Auf dem Weg vom Training nach Hause schaute ich in einem Supermarkt vorbei und blieb wie festgeklebt vor dem Süßigkeitenregal stehen. Über 50 Sorten Schokolade, 20 Arten Bonbons, 15 verschiedene Gummiebärchentüten etc. starrten mich an – zu einem Preis, für den man z. B. in El Chalten (Argentinien) mit etwas Glück vielleicht 20% davon bekommt. Ich schaute mir diese riesige Auswahl also an… und ging weiter.

Es gibt einiges, was sich geändert hat. Das ist die Wertschätzung dessen, was man hat, aber auch der kritische Blick unserem Lebensstil gegenüber. Das Verständnis, wie schön Deutschland eigentlich ist (gerade jetzt, im Frühling!!!), aber auch der Wunsch, statt des allgemeindeutschen Stresses Lebensfreude und Ruhe auszustrahlen.

Es ist keineswegs so, dass ich nun alles südamerikanische übernehmen will (dagegen!),  aber der räumliche Abstand erlaubte einen neuen Blickwinkel beim Betrachten des eigenen gewohnten Daseins. Manch ein Problem wird relativiert, für ein anderes ist man nun sensibilisierter, ein drittes ist erst gar kein Problem mehr. Für diese Exkursion über den Tellerrand bin ich vor allem den vielen Menschen, zu denen wir auf der Reise Kontakt hatten, sehr dankbar.

Und natürlich dürfen die Reise an sich, das Leben in der Natur, das Wahrwerden der Träume nicht unerwähnt bleiben.  Auf einer Anhöhe stehen und die atemberaubende patagonische Landschaft  bewundern, dann wieder zum Zelt absteigen,  Tee kochen und noch lange im Dunkeln dem Fluss lauschen… morgens mit der Sonne aufwachen, dem neuen Tag entgegenfiebern, das mobile Häuschen einpacken und erneut losziehen… nass, müde und hungrig werden, frieren, hinfallen, zweifeln…und ankommen. Tag für Tag!

Es war eine tolle Zeit. Vielleicht ließ sich nicht alles umsetzen, vielleicht wäre gerade in den Bergen mehr möglich gewesen. Bei einer Auszeit wie dieser kann aber nichts bereut werden, egal ob man auf dem Strand liegt, pausenlos klettert oder eben jeden Morgen die Wanderstiefel schnürt. Hauptsache man macht es und ist glücklich. Und die Welt… die Welt bricht auch ohne uns nicht zusammen.

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