Zeltgespenst

…ist unterwegs!

Durchs Pitztal ins 2016

23.12.2015-03.01.2016

Das Ende des Jahres 2015 war in vielen Hinsichten besonders. Für mich bedeutete es unter anderem das Ende einer Etappe im Leben – eine einzigartige Reise und das Wiedereingliedern ins normale Leben, die Arbeit, die Freizeit. Umso schöner, diese Zeit mit Freunden in den Bergen verbringen zu können, ganz ohne Stress und Zeitdruck. Denn mit nur drei Urlaubstagen kamen ganze 11 Tage in den Bergen zusammen…

31.12.15 im Pitztal

Es begann wie so oft mit einer Anreise über Nacht. Monika, Stefan und Bastian bezogen bereits unsere luxuriöse Ferienwohnung als ich ankam – bestens ausgeruht nach einer Nacht im Liegewagen. Um den Tag nicht zu vergeuden, ging es schnell auf die erste Erkundungstour – zum nächsten Wasserfall. Wir wollten doch Eisklettern lernen?

Um es kurz zu fassen: Aller Anfang ist….nass. „Dank“ den warmen Temperaturen waren die Eisverhältnisse im Tal alles andere als optimal und zusätzlich zu den Schwierigkeiten, die ein Anfänger im Eis zu meistern hat, waren wir auch noch klatschnass. Das selbst gekochte Festessen (Heiligabend) schmeckte dann ganz besonders gut 🙂

das erste Mal im Eis
das erste Mal im Eis

…und am nächsten Tag entschieden wir uns für eine Seilbahnfahrt, um dem Frühling im Tal zu entkommen. Die Nordostflanke des vorderen Brunnenkogels hat es uns angetan mit ihrem glitzernden 45°-Blankeis. Über die Skipiste ging es entspannt zum Einstieg und dann in Seilschaften abwechselnd vorgehend bergauf. Nach etwa 130 Klettermetern wurde es flacher und wir stapften den Rest im Schnee hinauf.

Da die Zeit schon fortgeschritten und der Abstieg unklar, verzichteten wir auf den Gipfel und stiegen vom Grat wieder in Richtung der Piste ab. Die ersten drei wurden dabei von oben gesichert, die letzte – ich – hatte die Ehre, am Seil von unten abzusteigen. Das dauerte gefühlt ewig, war aber von der Schwierigkeit her selbst auf plattigen Stellen insgesamt noch im grünen Bereich. Die letzte Bahn noch rechtzeitig erreicht, freuten wir uns wieder über die warme Ferienwohnung…

Abstieg in der Hoffnung, tatsächlich auf der Piste anzukommen

Die Bequemlichkeit der Seilbahn nutzten wir auch am nächsten Tag. Ein wenig spazieren (einem von uns ging es nicht gut und das Gipfelziel wurde gestrichen), die Sonne genießen und anschließend Klettern im eingestürzten Gletschertor – genial.

Klettern im eingestürtzten Gletschertor
Klettern im eingestürtzten Gletschertor

So schnell gingen Weihnachten vorbei und die Jungs mussten zurück nach Hause. Monika und ich packten dagegen große Rucksäcke und peilten die Braunschweiger Hütte an.

Start zur Braunschweiger Hütte - dort, wo die Sonne nicht hinkommt, ist alles vereist
Start zur Braunschweiger Hütte – dort, wo die Sonne nicht hinkommt, ist alles vereist
Stefan und Bastian begleiten uns zuerst ein Stück lang

Klettersteig oder Straße? Piste oder Querfeldein? Viel Ahnung vom Aufstiegsweg hatten wir nicht und gingen so wie es uns am besten erschien. Das bescherte uns zum Schluss eine steile Direttissima übers angeschneite, rutschige Graß und zum Schluss schier bodenlosen Schnee. Bei bestem Wetter war dies aber kein Problem und wir genossen den doch überraschend anspruchsvollen Tag.

bald sind wir aber allein und stellen uns aufs "richtige" Unterwegssein ein
bald sind wir aber allein und es stellt sich ein richtiges Tourenfeeling ein
Zeltgespenst im Aufstieg. Foto: Monika
Zeltgespenst im Aufstieg. Foto: Monika

Auf der Hütte trafen wir auf zwei tschechische Gruppen mit insgesamt sieben Personen. Durch den zweiten Schlafraum hatten wir aber mehr als genug Platz und insgesamt gefiel uns die Hütte gut: Bestens gedämmt, warm, mit guten Möglichkeiten um Sachen zu trocknen und zu kochen. Spannend blieb nur noch die Frage, wen von unseren Bekannten wir am nächsten Tag hier begrüßen dürfen werden – fest ausgemacht wurde nämlich nicht viel.

nach der Ankunft wird als erstes der Ofen angemacht

Umso mehr haben wir uns gefreut, am kommenden Tag – den wir von früh bis spät auf der Bank neben der Hütte mit unseren Büchern verbracht hatten –  Lukas ankommen zu sehen. Ein wenig fluchend – er hat unsere Querfeldeinspur nicht gefunden – aber hochmotiviert für die nächsten Tage.

ein Büchlein darf im Rucksack natürlich nicht fehlen 🙂

So ging es in aller Frühe zum Linken Fernerkogel, den wir zum Schluss über seine etwas steilere Südwestflanke „erwühlt“ und den phantastischen Tag voll ausgekostet haben. Auf dem Rückweg wurde wieder in einem Gletschertor geklettert – und zum allerersten Mal kam bei mir so etwas wie ein Gefühl fürs Eis auf…

wir ließen es uns nicht nehmen, die sonnenbeschienen Flanke direkt hochzusteigen
wir ließen es uns nicht nehmen, die sonnenbeschiene Flanke direkt hochzusteigen
und so sah es dann aus
und so sah es dann aus
Linker Fernerkogel, 3277m
Linker Fernerkogel, 3277m
auf dem Weg zurück wurde gekraxelt
auf dem Weg zurück wurde gekraxelt

Viel mehr war auf der Braunschweiger Hütte für uns nicht zu tun. Also stiegen wir, inzwischen am 30.12., ins Tal ab und zur letzten Hütte des Jahres – der Rüsselsheimer – auf. Ganz ungewöhnlich und erschreckend für Ende Dezember,  lag südseitig selbst auf 2000m Höhe kein Schnee und so stiegen wir richtig sommerlich zur Hütte hinauf. Auf den ersten Blick gefiel uns der Winterraum: Geräumig, hell, viele Sitzmöglichkeiten. Seine Konstruktion zeigte sich allerdings sehr bald als schlecht durchdacht: Kaum beheizbar bei sehr hoher Decke, keine Möglichkeit die Sachen zu trocknen, Holz musste erst gesucht werden, Toiletten zu usw..

Abstieg von der Braunschweiger Hütte über den E5 - im Winter sportlich
Abstieg von der Braunschweiger Hütte über den E5

Und da war er, der 31.12.2015. Wird es mit dem angedachten Westgrat der hohen Geige klappen? Wie viel Schnee treffen wir oben? Sind die Sicherungen verschneit? Ist eine Tour, die selbst im Sommer mit 7 Stunden angegeben wird, nicht zu lang für den kurzen Lichttag Ende Dezember?

Noch im Dunkeln ging es los. Lukas spurte und uns blieb es nur noch, nachzulaufen. In der Morgendämmerung auf dem Grat angelangt, liefen wir ein Stück lang im tiefen Schnee, bevor die Blockkletterei begann. Der Grat wurde immer schmäler, bis irgendwann die ersten Sicherungen kamen. Bis auf einige schneebedeckte Passagen, wo wir in die Löcher zwischen den Blöcken einbrachen, war bisher alles einfach, doch wie wird es nun?

flach und breit beginnender Westgrat der Hohen Geige
Lukas ging die ganze Tour voraus - danke
Lukas ging die ganze Tour voraus – danke
Stellenweise brachen wir ordentlich ein. Foto: Monika
Stellenweise brachen wir ordentlich ein. Foto: Monika

Es wurde „gratig“, einige Passagen richtig schmal und unterschiedlich dick verschneit. Die Zeit lief, das Wetter verschlechterte sich und langsam spürten wir die Anstrengung immer deutlicher. Deswegen wurde auf dem Gipfel nicht lange gefackelt – der Abstieg über den Westgrat ist nicht entspannter als der Aufstieg. Die ersten Schneeflocken kamen bereits, wir beeilten uns also runter.

der Weg wird immer schmäler
der Grat wird immer schmäler
tolle Aussichtstour, jetzt ist aber trotzdem Aufmerksamkeit gefragt
Hohe Geige, 3395m
Hohe Geige, 3395m

Den ganzen zurück gelegten Weg wieder vor uns zu sehen, war beeindruckend und etwas beängstigend zugleich. Doch insgesamt ging der Abstieg besser als gedacht (bzw. befürchtet) und bald gewöhnte ich mich an den Blick in die Tiefe. Später kamen noch lange, laaaange Abschnitte im verschneiten Blockgelände, wo wir ständig einbrachen… Und zum Schluss waren alle Felsen bedeckt von einer dünnen, rutschigen Neuschneeschicht. Wir waren aber schon praktisch zurück.

der Weg zurück beginnt am Gipfel...
der Weg zurück beginnt am Gipfel…
einfach nur schön!
einfach nur schön!
das Wetter hat endgültig umgeschlagen
das Wetter hat endgültig umgeschlagen

Schon in der Dämmerung kamen wir nach 10h wieder an der Hütte an, wo in der Zwischenzeit auch ein Pärchen aus Wuppertal  ankam. Der Abend wurde angenehm, aber kurz: nachdem alles gegessen wurde (und dem Kaiserschmarrn aus der Tüte die Höchstnote verliehen wurde), legten wir uns ins Bett. Bis zum Morgen im Jahr

2016

🙂

Die ersten Tage des neuen Jahres vergingen schnell beim Eisklettern. Hier gibt es viel zu erzählen von bizarren Formen, wunderschönen Eiszapfen, abenteuerlichen Zustiegen und Eisschlag, der nicht zu vermeiden und immer wieder angsteinflößend war. Die Begeisterung hielt sich zuerst in Grenzen – zu wenig traute ich dem gefrorenen Element, zu fremd erschienen die Bewegungsabläufe (oder hat es schon jemand geschafft, im Eis wie im Fels einzudrehen?). Doch einer gewissen Faszination bin ich dennoch verfallen: Auf etwas hochzusteigen, was wie ein Kunstwerk aussieht und jedes Jahr neu und anders entsteht – ist das nicht genial? Ich ahnte schon, dass es nicht das letzte Mal sein wird…

Abstieg von der Rüsselsheimer Hütte am 1.1.16
Abstieg von der Rüsselsheimer Hütte am 1.1.16
sieht bequemer aus als es war 🙂
manch ein Zustieg war schon anspruchsvoll genug (die Steilheit sieht man auf dem Bild nicht)
manch ein Zustieg war schon anspruchsvoll genug (die Steilheit sieht man auf dem Bild nicht)
Monika in Aktion
Monika in Aktion
in der noch nicht gefrorenen Taschachschlucht
in die noch nicht gefrorene Taschachschlucht ging es nur per Abseilen

Frühes Aufstehen, lange, aktive Tage und gutes Essen abends sind ein Traumurlaub, aber irgendwann freuten wir uns aufs Zuhause. Mal einen Tag im Warmen ohne fallendes Eis und ohne ständige Konzentration zu verbringen… Am 3. Januar ging es nach einer kurzen, aber schönen Klettersession wieder nach Hause, wo wir um kurz vor Mitternacht ankamen. Frisch erholt, ausgepowert und voller neuer Pläne – so wie es sich gehört.