Zeltgespenst

…ist unterwegs!

Allgäu November 2012

01.-04.11.2011

Aus der Arbeitsroutine für ein paar Tage in die Berge – einen größeren Wunsch gab es nach zwei Monaten Bergabstinenz nicht. Dass der Herbst bereits weit fortgeschritten war, schreckte zwar etwas ab, dennoch wollten wir das lange Wochenende Anfang November nutzen und die schön geformte Pyramide des Hochvogels näher anschauen.

Hochvogel (2592m) vom Biwakplatz

Alles schien geplant und geklärt und wie immer nichts lief nach Plan. Erst musste mein Partner doch zwei Tage länger arbeiten und dann verspätete sich meine Mitfahrgelegenheit um einige  Stunden, so dass wir erst gegen Mitternacht in Oberstdorf waren. Mehrere durchaus kühle Stunden spazierte ich durch den schlafenden Ort, bevor um fünf Uhr morgens endlich die Bahnhofshalle aufgemacht wurde. Und immer noch waren es drei Stunden bis zum Bus nach Oberjoch…

Start am Oberjoch
tolle Aussicht vom Iseler

Eine gemütliche und einsame Wanderung über den Schmugglersteig zum B´Schießer. Malerisch und beruhigend war der Weg, wunderschön die Sicht auf verschneite Allgäuer Gipfel.

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Am Ponten (2045m) hielt ich endgültig an. Hier gab es genau 1,5m x 1,5m flaches Gelände, bevor es in alle Richtungen runter ging. Und für die fehlenden Zentimeter unter den Füßen hatte ich einen 30cm breiten Stein – bewegen sollte man sich bei so einer Schlafposition nicht allzu viel.

der linke Gipfel im Bild – Ponten. Den Weg dahin geht leicht unterhalb des Grats

Der Abend war genial. Ein paar Wolken hüllten benachbarte Gipfeln ein und gaben das Gefühl der Intimität, des zu Hause Seins. Ich kochte das Abendessen, kuschelte mich in den warmen Schlafsack und schlief tief und fest ein.

abends vom Biwakplatz
Luxusschlafzimmer

Ist es nass? Wie kann das überhaupt sein???? Das Wetter hat umgeschlagen, es stürmte ganz ordentlich und war selbst in meinem -30°-Schlafsack nicht wirklich warm. Außerdem hatte ich Schneeverwehungen um die Füße herum – mitten im Biwaksack! Die Gipfelbiwaknacht wurde also zunehmend ungemütlich; der Wind griff immer wieder unter die Isomatte besonders im fast frei hängenden Fußteil, Schnee verstopfte alle Ritze und taute auf dem ungeschützten Gesicht. Und ja, ich lag im Nassen – nach dem letzten Trocknen versäumte ich es, den Reißverschluss am Fußteil vom Biwaksack zuzumachen und es hat tatsächlich einiges an Schnee reingeweht.

Biwakplatz am Morgen
Wind (weiterer Jubiläumsweg)

Am Morgen packte ich notdurftig zusammen und verließ den zügigen Gipfel. Bald besserte sich das Wetter aber und es wurde ein phantastisch schöner Tag. Den geplanten Jubiläumsweg konnte ich bei diesen Verhältnissen und tiefem Spuren aber nicht gehen, stieg deswegen nach  Hinterstein ab und nahm den Bus zum Giebelhaus.

ein Traum!
…und Gämsen, die mir beim Spuren zuschauen und mich auslachen

Die Hütte bzw. den Winterraum des Prinz-Luitpold-Hauses erreichte ich schon im Dunkeln. Der Aufstieg war aber gespurt und die Orientierung stellte kein Problem dar. Dort schlossen wir uns mit zwei Stuttgartern zusammen, um am nächsten Morgen gemeinsam den Aufstieg zur Kreuzspitze zu spuren.

Schritt für Schritt

Stellenweise hüfttiefer Schnee, manchmal so ein Wind, dass man kaum stehen bleiben kann, und ein paar Passagen, wo wir die Seilsicherungen erst mal ausgraben mussten – eine wunderschöne, aber nicht einfache Tour! Während die beiden weiter zum Hochvogel aufstiegen, drehte ich nach der Kreuzspitze um und holte den Freund von mir an der Hütte ab, um mit ihm gemeinsam noch eine kleine Runde im Schnee zu drehen.

Mitten in der Nacht wurden wir vom Essensgeruch und Krach am Ofen geweckt. Um 4 Uhr morgens machte eine Gruppe, die bereits durch ihren hoch geschleppten 5l Bierfass aufgefallen war, Spiegeleier mit Bacon!!! Sie wollten auch auf den Hochvogel und vergaßen die Uhr auf Winterzeit umzustellen…

Der Schnee hat sich inzwischen gesetzt und bei genügend Spuren und freien Stahlseilen erinnerte nichts an die anspruchsvollen Bedingungen gestern. Bei bestem Wetter erreichten wir den Gipfel und standen sprachlos vor dem großartigen Panorama von dort. Hochvogel ist definitiv einer der schönsten und am meisten lohnenswerten Gipfel in deutschen Alpen!

letzte Meter zum Gipfel
Hochvogel (2592m) – und die Sicht eines Adlers
im Abstieg

Während die anderen schnell abreisen mussten, hatte ich noch Zeit bis zum nächsten Morgen. Wetterverschlechterung kündigte sich an, Wolken zogen über den gerade noch tiefblauen Himmel. Nach der Haarwäsche im Schmelzwasser, das vom Dach tropfte, wollte ich vom Prinz-Luitpold-Haus übers Oytal absteigen, gab diesen Plan aber  bald auf – der Weg war unter dem Schnee nicht zu finden und die Querungen zu heikel. Deswegen ging es runter zum Giebelhaus und da es im November keine Busse mehr gibt, zu Fuß durch die Nacht.

phantastischer Tag, tolle Tour, wunderschöner Herbst in den Bergen
Rückkehr zum Giebelhaus

Ich hatte gerade die Hälfte der 10km nach Hinterstein zurückgelegt, als ein junger Jäger mich mitnahm. Er musste am selben Abend noch nach Oberstdorf und nach einem Tee bei ihm zu Hause fuhren wir hin. Mit ihm zu sprechen war für mich ein ganz besonderes Erlebnis, denn unsere Leben unterscheiden sich so stark, wie es in heutigem Deutschland nur möglich ist.

In Oberstdorf regnete es. Ich suchte eine Unterstandshütte auf und verbrachte dort eine ruhige (Rest-)Nacht – nach erlebnisreichen Tagen davor war nichts anderes zu erwarten. Und als ich am nächsten Tag im Dauerregen in den Zug stieg, in den dichten Nebel schaute und im Warmen die Jacke auszog, sah ich immer noch Schnee auf den Gipfeln leuchten, spürte den Wind auf der Haut und hörte die Berge rufen…..

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