Zeltgespenst

…ist unterwegs!

Berchtesgadener Land 03/2008

Als ich es heraus geschafft und mich darüber gefreut habe, schlug mir der Wind ins Gesicht. Die Spur der Skitourengeher war komplett verweht und ich alleine im Schneegestöber am Berg.

Der Abstieg wurde zu einer bangen Zeit. Da die Sicht auch im Aufstieg bescheiden war, kannte ich das Gelände nur annähernd aus der Karte. Irgendwo rechts begann das Steilgelände, zu weit links kam eine Abbruchkante. Rein auf Intuition verlassen, stieg ich langsam ab und fiel im Whiteout mehrmals hin, weil nicht die kleinste Bodenwelle zu erkennen war. Einmal lichtete sich kurz der Nebel und ich sah eine andere mir bekannte Hütte – so war zumindest klar, dass die Richtung stimmt.

Die Zeit verstrich. Um halb sieben – ich wollte um 18 Uhr angekommen sein – begann es zu dämmern und ich hatte langsam gar keine Vorstellung von meiner Position mehr.

An der Waldgrenze hielt ich kurz an, drehte mich aus dem Wind und überlegte, welche Möglichkeiten es gab. Eine Nacht würde ich  hier überstehen, am Morgen wäre aber keine Besserung zu erwarten.  Auf gut Glück immer tiefer abzusteigen hieß erstens eventuell durchs lawinengefährdete Gelände zu gehen und zweitens trotzdem biwakieren zu müssen. Also wollte ich versuchen, doch die Hütte zu finden. Davor schaltete ich das Handy ein und wählte die Nummer der Hütte – bevor sie sich Sorgen machen, wollte ich sagen, dass ich zumindest ungefähr weiß, wo ich bin. Gestartet wurde der Anruf aber nicht: Im selben Augenblick erschien der Schatten der Hütte wie eine Fata Morgana aus dem Nebel und verschwand ebenso wieder – keine 30m von mir entfernt. „Das hat aber bestimmt keinen Spaß gemacht“  war der einzige Kommentar  an der Hütte – für diese Zurückhaltung bin ich ihnen bis jetzt dankbar.

Am Morgen wurde das Wetter besser, aber es lagen 1,2m Neuschnee und es schneite weiter. Steffi lieh mir weiter ihre Schneeschuhe aus und begleitete mich 600hm lang runter – selber auf Ski. Als ich ein Jahr später wieder kam und mich bedanken wollte, arbeitete sie am Stahlhaus leider nicht mehr, ohne ihre Hilfe in diesen drei Tagen hätte alles aber auch anders ausgehen können.

Bei Lawinenwarnstufe 4 spazierten der angereiste Bekannter von mir und ich erst durch den Ort du stiegen dann ein Stück in Richtung Grünstein auf. Für die Nacht wurde der Tarp aufgespannt; die Aussicht war herrlich und es hätte auch eine schöne Nacht werden können….nur stellte ich fest, dass ein Schlafsack mit +3°C Komfortbereich nicht unbedingt für den Winter geeignet ist…

Am nächsten Tag spurten wir (mit normalen Schuhen) weiter zur Archenkanzel. Das Wetter besserte sich, es war aber immer noch bedeckt. Unweit des Aussichtspunktes bauten wir dann ein Iglu: Laut Literatur soll es die wärmste Winterbehausung sein. Dabei vergrub ein Partner jedoch meinen Kochtopf und wir hatten somit nichts mehr zum Schneeschmelzen…….

Die Nacht war zwar wärmer als die letzte, geschlafen haben wir aber trotzdem kaum. Um 5:30 klingelte der Wecker:  Sonnenaufgang! Wir liefen zur Archenkanzel und erlebten einen Morgen, der für alles entschädigte: Wolkendecke über dem Königssee, wolkenloser Himmel, Alpenglühen und erste Sonnenstrahlen über den Gipfeln.

Zurück am Iglu, sahen wir als erstes eine Bundeswehrtruppe. Die Übernachtungszeichen waren nicht zu verstecken, also erzählten wir alles wie es war. Statt Ärger – übernachten im Nationalpark Berchtesgaden ist verboten – lachten sie aber und boten uns flüssiges Wasser ab – das erste, was wir seit 24h getrunken haben.

Den Abstieg über den Rinnkendlsteig gaben wir bald auf (Schneeunmengen!) und kehrten auf dem bekannten Weg nach Königssee. Mein Bekannter fuhr wieder, ich ging noch rund 10km bis zur Jugendherberge. Dort angekommen, bekam ich die letzte Lehrstunde dieser Woche:  Nach einer Woche im Schnee und mehreren Stunden in der Sonne brannten die Augen und ich sah nicht mehr viel. 

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