Zeltgespenst

…ist unterwegs!

Wallis-Actionwoche

12.-19.07.2014

„Wenn oben in den Bergen nichts geht,  laufe ich halt“ – das Wetter war noch kurz vor dem Urlaub dermaßen schlecht, dass ich schon Trailschuhe mitnehmen wollte.  Als ich bereits packte, kam aber der Anruf: „Es wird wohl doch schön, komme am Montag auch runter!“ – eine angenehme Überraschung von einem Bekannten. Damit hatte ich zwei Tage Zeit alleine, um mich etwas zu akklimatisieren und die neuen Schuhe einzulaufen – bei unserem Leistungsunterschied sollte ich beim Treffen so fit wie möglich sein.

unterwegs in der Walliser Gletscherwelt, links im Hintergrund das Matterhorn

Nach einer langen, entspannten Zug- und Busfahrt erreichte ich am frühen Abend Saas Grund und quartierte mich auf dem Campingplatz ein. Es dauerte nicht lange bis die einzigen Nachbarn kamen: Eine slowakische Gruppe, die gerade vom Weißmies abgestiegen war. Noch ohne konkreten Plan für die nächsten Tage, erkundigte ich mich nach den Verhältnissen: Viel Schnee, Nebel, aber zumindest der Normalweg ist gespurt. Später bestätigte ein Bergführer, dass auch der Südgrat gespurt sei – aber „ob es bei dem Wetter sinnvoll ist und Spaß macht, musst du entscheiden“. Es regnete leicht.

Schweizer Begrüßungsteam
Schweizer Begrüßungsteam 🙂

Nach 14h Schlaf (ja, mehr ginge auch 🙂 ) packte ich zusammen, ließ einen Teil der Sachen im Camping (1550m) und steuerte das Almagell-Tal an. Langsam ging es bei bewölktem, aber trockenem Wetter über die Waldgrenze hinaus zur Almageller Alp (2200m) und weiter zur Almageller Hütte (2894m). Es waren kaum Menschen unterwegs, dafür aber ganze Familien an Murmeltieren sowie der eine oder andere Steinbock. Ohne Zwischenfälle an der Almageller Hütte angelangt, legte ich eine längere Pause  und tauchte erst gegen 15 Uhr in den grauen Nebel oberhalb davon ein.

Steinböcke lassen sich durch mich nicht stören
Start in den Nebel
Start in den Nebel

Es war höchst unspektakulär.  Größere, aber gespurte Schneefelder, ein paar Steine… Und als ich auf dem Sattel ankam, flog aus den fest sitzenden Wolken ein unangenehmer Schneeregen.

einfach nur steigen...
einfach nur weiter steigen
schönes Wetter...
top Wetter…

Einen geschützten Biwakplatz zu finden stellte sich als schwierig heraus. Erstens fiel das Gelände recht steil ab, zweitens hatte ich zwar mit Wind, aber nicht mit starkem Regen gerechnet. Mein kleiner Überhang verwandelte sich bald in eine Tropfhöhle, außerdem liefen Rinnsale in die von der Isomatte gebildete Mulde (Platz sie flach auszubreiten hatte ich nicht) – keine 2h später gab der bisher wasserdichte Biwaksack nach. Nach einer weiteren Stunde, als der Schlafsack bereits ganz nass, die Nacht aber noch nicht einmal in Sicht war (19 Uhr), packte ich zusammen und stieg ab.

Biwakversuch Nr1
Biwakversuch Nr1, noch ist es ziemlich trocken

Natürlich ärgerte ich mich. Über den Biwaksack, der mich schon viele nasse Nächte trocken überstehen ließ. Über meinen Optimismus was das Wetter angeht. Über die unnötigen Höhenmeter und die ungünstige Biwakplatzwahl… Und dann sah ich ihn, einen überhängenden Felsblock ca. 100hm oberhalb der Hütte, wo es einen ca. 50cm x 170cm großen, trockenen Streifen gab.

Soll ich mir noch eine Chance geben? Sachen, gerade der Schlafsack, sind zwar ordentlich nass, aber die Nacht verspricht nicht allzu kalt zu werden….und so müsste ich nicht anerkennen (und an der Hütte erklären), dass die Biwakidee keine gute war. Ich breitete mich aus, hängte Sachen zum Trocknen auf… und dann kam der gleiche Schneeregenschauer wie oben und auch von diesem Überhang begann es überall zu tropfen…

Biwakversuch Nr 2; noch trocknen die Sachen sogar
Biwakversuch Nr 2; noch trocknen die Sachen sogar

Die Nacht war so lala.  Um 4:40 hatte ich alles gepackt und startete ohne zu frühstücken wieder zum Sattel hoch – und in Richtung meines ersten 4000er.

am frühen Morgen im Nebel
am frühen Morgen war es noch recht unspektakulär…
aber es wird besser!
…aber es wurde besser!

Über den Schnee (Steigeisen von Beginn an) und später Felsen ging es meist unmittelbar auf dem Grat bergauf. Zwei Paare überholten mich, da sie aber öfter pausierten, trafen wir uns immer wieder. Nach oben hin wurde das Kraxeln mehr und anspruchsvoller (II°), die sich immer weiter lichtende Wolkendecke schenkte aber eine tolle Stimmung.

Weißmies-Südgrat: Los geht es!
Weißmies-Südgrat: Los geht es!
über die Wolken…
...bis hin zum blauen Himmel!
…bis hin zum blauen Himmel!
Blick zum gegenüber liegenden Grat
Blick zum gegenüber liegenden Grat

Nach einem Felsaufschwung kam der nächste, der Gipfel schien immer gleich weit entfernt zu sein. Nach einer recht steilen Partie im Schnee, die wir selber spuren mussten, kam ich aber doch plötzlich auf den Vorgipfel und genoss jeden Schritt beim Gratübergang zur Haupterhebung.

artgerechte Umgebung
artgerechte Umgebung
"Brockengespenst" (mein Schatten auf der Nebelwand mit einem Lichtkranz drum herum) - jedes Mal ein sehr beeindruckendes Wetterphänomen!
„Brockengespenst“ (mein Schatten auf der Nebelwand mit einem Lichtkranz drum herum) – jedes Mal ein sehr beeindruckendes Wetterphänomen!
Schritt für Schritt...
Schritt für Schritt…

4017m – geschafft!!! Ganz schnell etwas essen (zwei Müsliriegel waren bisher das einzig Gegessene seit dem gestrigen Abend), Gipfelfoto – und zurück. Während alle anderen, insgesamt an diesem Tag 14 Personen, über den Nordgrat und den Gletscher zur Seilbahn abstiegen, hatte ich wieder den kompletten Südgrat vor mir.

geschafft!
geschafft!
Grüppchen auf dem Grat
Grüppchen auf dem Grat
was will man mehr?
die schönste Promenade der Welt 🙂

Stufe für Stufe vorsichtig abkletternd, schaute ich nach dem Stein, unter dem ich meine Stöcke deponiert hatte. Und fand ihn an der erwarteten Stelle – aber nur Spuren im Schnee von den Stöcken! Wie sich später herausstellen wird (wir trafen eine der Seilschaften von diesem Tag später noch einmal), hat eine italienische Gruppe sie mitgenommen – gut gemeint (95% kehren nicht auf demselben Weg zurück), aber unglücklich für mich, die es doch tat und sie jetzt vermisste. Und ich habe die vier doch im Abstieg getroffen und begrüßt – warum hatten sie ausgerechnet mich nicht gefragt?

einer von den Dreien hat meine Stöcke...
Blick zurück zum Gipfel
...und runter, da muss ich jetzt lang
…und runter, da muss ich jetzt lang

Der Schnee wurde weicher und der Abstieg zog sich. Ich war inzwischen zwei Stunden hinter dem Zeitplan und wusste, dass ich es nicht rechtszeitig zum mit meinem Bekannten vereinbarten Treffpunkt schaffen würde. Das war noch ein Grund, warum die Pausen kurz gehalten wurden – außer 15min auf dem Gipfel, 20 min zum Packen am Biwakplatz und 10min zum Telefonieren an der Almageller Hütte gab es nur welche zum Atmen. Jetzt beeilte ich mich noch die restlichen 1200hm bis ins Tal (2h), wo auf mich V. wartete – Stöcke wären bei dem insgesamt 2400hm-Abstieg zum Teil mit ordentlichem Rucksack (Biwaksachen) alles andere als verkehrt…

Edelweiße auf dem Weg ins Tal
Edelweiße auf dem Weg ins Tal

Nach einer wohltuenden Autofahrt (sitzen!) stiegen wir zu einer kleinen privaten Hütte auf, wo wir ein wenig üben und uns aneinander anpassen wollten. Die 500hm des Aufstiegs taten überraschend gut: Während V. sein Tempo ging, stieg ich langsam und meditativ über die bunten, duftenden Blumenwiesen und erholte mich vom zügigen und konzentrierten Steigen heute früh. Oben bekamen wir trotz später Stunde noch ein Abendessen und verbrachten einen unterhaltsamen Abend mit Kletterern aus der Schweiz und Schweden. Meine Kamera habe ich übrigens im Auto vergessen, was für einen Tag aber nicht weiter tragisch war.

malerischer Weg zur Hütte
malerischer Weg zur Hütte

Am frühen Morgen – zu sechst überredeten wir die Hüttenwirtin, uns schon um 5:30 das Frühstück zu servieren – ging es bei bestem Wetter zu den Felsen. Über den leichtesten Weg stiegen wir im II-III Grad mit Sicherungshacken und einigem an Gehgelände zum Gipfel (3001m) auf, für den Abstieg bot sich ein genauso schwieriger/einfacher Grat an, hier jedoch ohne Hacken.

was für ein Tag!
Die „Morgengymnastik“ ist absolviert. Was für ein Tag!
schöner Anblick bei Runterkraxeln

Die kleine Tour hat – nicht zuletzt dank dem festen Fels – richtig Spaß gemacht, also verlängerten wir den Tag im nah gelegenen Klettergarten. Dort brachte mich jedoch direkt die erste Route an die Grenzen: Aus einer IV- „abzuschmieren“ möchte man definitiv nicht, mit Bergschuhen ist so etwas aber schon eine Herausforderung… Mit Kletterschuhen ging es danach wesentlich besser, da wir aber noch absteigen wollten und der Schwerpunkt woanders lag, blieb es bei nur ein paar Routen.

schweizer Bergstilleben
Stilleben à la Schweiz

Zustieg – Biwak – Gipfel – Tal.  Da der Wetterbericht schönsten Sonnenschein und sternenklare Nacht versprach, starteten wir am späten Vormittag und freuten uns auf den Biwakabend auf ca. 3200m. Vom Bahnhof Täsch ging es bergauf, die Mittagshitze wurde mit zunehmender Höhe etwas erträglicher und die bunten Alpenwiesen wetteiferten mit schneebedeckten Gipfeln um unsere Aufmerksamkeit.

traumhafte Landschaft
Ein Zustieg wir im Bilderbuch
Ein Zustieg wir im Bilderbuch
an der Täschalp
an der Täschalp

Ab der Täschalp ging es erst flach und malerisch am Fluss entlang und dann wieder steiler ins grauweiße Hochgebirgsgelände. Dunkle Wolken zogen auf; kühler Wind und ein paar Regentropfen sorgten für Fragen. Auf der gewünschten Biwakhöhe angelangt, erkundeten wir noch den in der Nacht kommenden Aufstieg, stiegen zu den Sachen ab – und zogen Regenjacken an.

kein Vergleich zur üppigen Natur 500hm tiefer
kein Vergleich zur üppigen Natur 500hm tiefer
Biwak
Biwak

Was ist, wenn es jetzt die ganze Zeit über regnet? So hatten wir es uns nicht vorgestellt und schoben die Antwort auf diese Frage auf. Nach einer knappen halben Stunde zog die Regenwolke aber langsam ab, die noch warmen Steine trockneten schnell und wir richteten uns ein. Der Abend war kurz und gemütlich und sobald die Sonne verschwand, schlief ich ein.

Abendlicht-1
Abendlicht-2
Zähneputzen vor einem Riesenbildschirm
und das – FREIWILLIG!

Um viertel vor drei klingelte der Wecker. In der Stadt würde ich den Grund davon verfluchen und mich gequält aus den Schlafsachen schälen; hier war es gar kein Problem. Im ruhigen Tempo ging es im Licht der Stirnlampen bergauf bis gegen fünf Uhr die immer wieder magische Stunde begann – die Zeit zwischen der ersten Rosafärbung des Himmels und dem Sonnenaufgang.

Guten Morgen, Wallis!
Guten Morgen, Wallis!
Aufstieg
Aufstieg

Ohne Schwierigkeiten auf 4000m angelangt, stiegen wir erst eine steile Schneerampe hoch und querten dann in die Felsen. Diese fand ich zumindest stellenweise überraschend anspruchsvoll (II-III°, Schnee) und wehrte mich nicht, gesichert zu werden.

es wird steiler; über den Schnee kann man aber leider nicht bis nach oben steigen - etwa in der Mitte wird in die Felsen gequert
es wird steiler; über den Schnee kann man aber leider nicht bis nach oben steigen – etwa in der Mitte wird in die Felsen gequert
Monte Rosa-Massiv
Monte Rosa

Das absolute Highlight der Tour war der Übergang vom Vor- zum Hauptgipfel (und zurück), danach ging es wieder in die Felsen – nach unten.

Rimpfischhorn-Vorgipfel vom Hauptgipfel
Rimpfischhorn-Vorgipfel vom Hauptgipfel – der Aufstieg hat sich 1000fach gelohnt!
Rimpfischhorn, Hauptgipfel (4198m)
Rimpfischhorn-Hauptgipfel (4199m)

Einfach fand ich es wieder nicht, mein Partner sicherte aber von oben nach. Er selbst kletterte dann frei ab, ich führte das Seil nur zwischen den Steinen und nutzte die nicht unbedingt vertrauenswürdigen Schlingen etc. unterwegs. An einer Stelle – hier gab es einen der zwei festen Anker zum Sichern/Abseilen, um den ich provisorisch das Seil wickelte – kam er schlecht an einem Tritt auf und fiel unkontrolliert hin. Durch die Kombination aus Seil (von unten), Glück und mir, die auf dem Sturzweg stand, passierte rein gar nichts; dass man in diesem Gelände aber selbst als Erfahrener und Geübter sehr aufpassen muss, wurde aber noch klarer.

In der Sonne wurde der Schnee bereits am Morgen nass und rutschig. Wir kraxelten noch eine Steilstufe ab und gelangten müde, aber zufrieden zu unserem Biwaksachendepot. Jetzt blieben „nur noch“ 1600hm des Abstiegs, mit denen wir allerdings zum Schluss richtig zu kämpfen hatten.

letzte Meter im Schnee
letzte Meter im Schnee und das lange schöne Tal, über das wir absteigen werden
im Abstieg
im Abstieg

Ob ich es mir vorstellen könnte, am nächsten Tag wieder zu einer Hütte, z.B. Domhütte aufzusteigen? Das Wetter sollte noch zwei Tage lang gut bleiben, irgendwas könnten wir theoretisch noch versuchen. In dem Augenblick waren wir beide recht fertig, aber am nächsten Tag, nach dem Ausschlafen…..vielleicht. Dabei ließen wir auch unsere Planung erstmal und kämpften uns nach Täsch zurück. Auf dem Campingplatz kam ich ins Büro und wollte zahlen, der Betreiber winkte aber ab: „Was ist passiert???“ „Nichts….warum?“ „Gehen Sie schlafen, Sie können morgen zahlen“.  Tja, geschlafen habe ich tatsächlich gut.

Am Morgen sah die Welt schon ganz anders aus und gegen einen Hüttenaufstieg (ca. 1500hm) irgendwann am Nachmittag hatte ich nichts. Die Frage kam aber anders: „Wollen wir den Dom (4545m) vom Tal aus (1409m) versuchen?“ Sprich über 3100hm im Aufstieg, oben Konzentration erforderndes Gelände und ein ewig langer Abstieg mit meinen neuen Schuhen, die sich als zu klein herausgestellt hatten (ich stoß beim Bergabgehen mit den Zehen vorne an). Und das abgesehen davon, dass uns die gestrigen 16h immer noch in den Knochen sitzen. Aber….warum eigentlich nicht? Und vor allem: Wenn nicht jetzt, wenn wir eingelaufen und akklimatisiert sind, dann – wann?

Richtige Richtung, die Hütte werden wir aber nicht in Anspruch nehmen...
Richtige Richtung, die Hütte werden wir aber nicht in Anspruch nehmen…

Flach im Schatten liegend, genoss ich mehrere Stunden lang das Nichtstun, lud strapazierte Flüssigkeits- und Energievorräte auf und versuchte mich auf die lange Aktion einzustellen. Um die Nacht nicht ganz so lang werden zu lassen, einigten wir uns darauf, im Dunkeln  2-3h Pause einzulegen; mehr als Biwaksäcke werden uns dabei aber nicht zur Verfügung stehen. Trotzdem war es eine angenehme Vorstellung und Einteilung der Strecke.

Gegen 18 Uhr ging es los. In der endlich langsam nachlassenden Hitze stiegen wir von Randa aus konstant steil zur Domhütte auf, die letzte Stunde über einen gesicherten Steig. Für die 1530hm brauchten wir 3,5h – bei subjektiv extra langsamem Tempo eine motivierende Zeit.

im Aufstieg; es wir der Abend
im Aufstieg; es wir der Abend (beleuchtet ist das Matterhorn)
Domhütte und das letzte Sonnenlicht
Domhütte und das letzte Sonnenlicht
langsam wird es ernst.... fast die Hälfte des Aufstiegs ist aber geschafft!
langsam wird es ernst…. fast die Hälfte des Aufstiegs ist aber geschafft!
chice Auswahl!
chice Auswahl!

An der Hütte vorbei ging es einer Moräne folgend in die Dämmerung hinein. Mit nachlassendem Licht wurde die Orientierung schwieriger, mehrmals verloren wir den Pfad. Jetzt war die Zeit für die geplante lange Pause gekommen, wir fanden jedoch kein Wasser und stiegen weiter auf. Die Wasser- und danach Sitzplatzsuche kosteten uns noch eine Weile und ein paar Höhenmeter. Endlich fand sich eine unbequeme, aber zumindest vom kleinen Steinschlag geschützte Ecke – Donnern der Steinlawinen auf der anderen Talseite wird uns aber noch die ganze Nacht über begleiten.

Pause, diesmal ohne besonderen Komfort
Pause, diesmal ohne besonderen Komfort

Obwohl die Gegend ohne die Sonne sofort lebensfeindlich erschien, war dieses Minibiwak ein interessantes Erlebnis. Nur mit Jacken und Biwaksäcken bewaffnet, saßen wir auf den Rucksäcken und bewunderten Schatten der Gletscher und Gipfel, Funkeln der Sterne sowie dieses fragile Gleichgewicht zwischen „kühl“ und „kalt“ mit dem Wissen, dass man sich jetzt erholen muss, weil es bald wieder bergauf geht. Überraschenderweise fühlte ich mich nach dem leichten Dösen sowie ein paar Keksen mit Tee tatsächlich wesentlich frischer.

Die Spur war ausgetreten und selbst im Dunkeln gut zu finden. Etwa 400hm über unserem „Biwak“platz erwartete uns aber eine Überraschung: Die Routenführung wurde kürzlich geändert, Fixseile abmontiert und der Felsteil damit anspruchsvoller. Gemeinsam mit inzwischen angekommenen Hüttenbewohnern suchten wir nach dem Weg und landeten auf dem Festijoch (3700m), wo sich unsere Wege trennten.

Und wieder gab es Fragen wo es lang geht. Die alte Spur war von den Lawinen überdeckt und es dauerte etwas, bis wir mit den anderen Angekommenen einig über die neue Spur waren.  Und dann kam der versprochene Schneeteil: Erst flach, dann zunehmend steiler im in unten Schichten vereisten, oben aber losen Triebschnee stiegen ein Dutzend Seilschaften dem Gipfel entgegen.

magischste Zeit des Morgens
magische Stunde des Morgens… irgendwo dort versteckt sich der Gipfel!
Blick zurück
Blick zurück

Der höchste Teil wartete auf uns mit kaltem Wind und wunderschöner Aussicht. Trotzdem galt die ganze Aufmerksamkeit den Füßen – am Seil (Spalten) im 45° steilen Gelände darf man sich nicht viel erlauben. Ach ja, anstrengend war es auch.

k
Aufstieg, flacherer Teil
steile Auf- und Abstiegspiste
steile Auf- und Abstiegspiste
nur noch wenige Meter…
Dom, der höchste Gipfel der Schweiz, der komplett auf dem Schweizer Boden steht

Der Abstieg war im Vergleich dazu viel entspannter. Dafür meldeten sich nun die Müdigkeit mit dem Schlafmangel; jeder war mit sich selbst beschäftigt.  An der Felsstufe bildete sich ein Stau und mehrere Grüppchen lehrten die Unerfahreneren unter ihnen wie das Abseilen funktioniert – offenbar war das Fehlen der Fixseile nicht nur für uns eine Überraschung. Es dauerte zwei (!) Stunden bis wir endlich dran waren – netterweise ließen die vor uns gehenden Wuppertaler uns und ein paar Italiener an ihren Seilen abgleiten, sonst hätte es noch länger gedauert.

flacher ist der Abstieg zwar nicht geworden, weniger anstrengend aber sicher
Séracs
Séracs
Warteschlange mit so einer Aussicht ist gar nicht soo schlimm...
Warteschlange mit so einer Aussicht ist gar nicht soo schlimm…

An der Hütte nahmen wir uns Zeit etwas zu entspannen und eine Kleinigkeit zu essen, mussten aber angesichts der angekündigten Gewitter doch zügig weiter absteigen. Die Zeitplanung ging gerade noch auf: Als es zu donnern und regnen anfing, waren wir bereits an den letzten Drahtseilen. Und dann kam wieder das bereits bekannte Schild, nun aber in „Ausgangs“richtung: „Alpiner Pfad, entsprechende Erfahrung und Ausrüstung erforderlich“. Wir gratulierten uns zum Gipfel.

Felssteilstufe, oberhalb derer wir zwei Stunden gesessen sind
Felssteilstufe, oberhalb derer wir zwei Stunden gesessen sind

Die restlichen 800hm über steile Waldpfade legten wir weitestgehend schweigend zurück – der Abstieg war länger, als man ihn hätte genießen können.  Der Regen hörte auf, ein heißer Julinachmittag breitete sich über dem engen Tal aus. Etwa 24h nach dem Start sahen wir das Parkhaus – es war vollbracht.

Nach der Dusche und vor allem Umziehen der Bergschuhe (brettharte Sohle) sah die Welt wieder viel besser aus, nach einer leckeren Pizza war sie bereits fast in Ordnung. Die Aktion insgesamt wird uns aber lange in Erinnerung bleiben – für diese spontane, für mich durchaus kühne Idee bin ich meinem Partner sehr dankbar!

Am Sonntagmorgen regnete es. Unsere Wege trennten sich wieder; alleine genoss ich das Frühstück im Zelt und machte mich auf den Weg nach Hause.  Bis zur „richtigen“ Ankunft verging aber noch eine ganze Weile; so unerwartet schön war die Woche, so beeindruckend die Westalpen. Wann sehen wir uns nur wieder?

für das Quäntchen Glück, das man in den Bergen immer gut gebrauchen kann
für das Quäntchen Glück, das man in den Bergen immer gut gebrauchen kann

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